BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kreisverband Magdeburg

PM 03: Der Preis ist heiss: Preistreiber Ökostrom oder Mythen der Energie-Lobby?

Unter diesem Motto stand die Informations-Veranstaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Magdeburg im InterCity-Hotel. Mit Gunnar Harms, Johannes Kempmann und Hans-Josef Fell standen drei absolute Top-Experten den Gästen Rede und Antwort

17.02.11 –

Unter diesem Motto stand die Informations-Veranstaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Magdeburg im InterCity-Hotel. Mit Gunnar Harms, Johannes Kempmann und Hans-Josef Fell standen drei absolute Top-Experten den Gästen Rede und Antwort.

Gunnar Harms stellte in seinem Vortrag die Mechanismen des Energiemarktes in Deutschland in den Vordergrund. Auffällig dabei sei die unterschiedliche Preisentwicklung für private Haushalte und den Preisen der Weiterverteiler. Die Preise für private Haushalt zeigten dabei immer in eine Richtung: nach oben. Auch im Vergleich mit anderen europäischen Industriestaaten hat Deutschland hohe Energiepreise. Während die Beschaffungskosten und die EEG-Summe gesunken sind, stiegen die Gewinnmargen der vier großen Energiekonzerne auf 30 Milliarden Euro (2009). Die Kosten für das EEG liegen bei diesen Unternehmen bei 5,271 Milliarden Euro.Die teuersten Kraftwerkstypen – z. B. Ölkraftwerke – werden bei der Stromerzeugung zuletzt zugeschaltet. Dies bedeutet je mehr erneuerbare Energien im Netz sind, umso mehr kann der Strompreis sinken.

Johannes Kempmann aus der Geschäftsführung der Städtischen Werke Magdeburg (SWM) stellte sein Unternehmen vor. Es hat eine 27%-Beteiligung von E.on. Die EEG-Anpassung ist vom Unternehmen an den Kunden weitergegeben worden. In einem Wettbewerbsmarkt müssen Angebot und Nachfrage stimmen. Dies trifft aber im Wesentlichen nur auf die Strombörse zu. Der Rest des Strommarktes ist in der Hand von vier Unternehmen. In Magdeburg selbst gibt es über 90 Anbieter. Einige sind deutlich teurer als die SWM, denn der Endverbraucherpreis umfasst mehr als Beschaffung und Marge. Es geht auch darum wie ich mein Unternehmen aufstellen möchte. Nur als Verkäufer mit ausschließlichem Service über das Internet oder als regional verankertes Unternehmen, welches das Gemeinwesen (wie Sport und Kultur) unterstützt.

Die hohe Steigerung der EEG-Umlage beruht aus seiner Sicht auf dem teuren Ausbau der Solarenergie. Die hohe dezentrale Einspeisung der erneuerbare Energien sorgt für hohe Netzentgelte. Zum guten wirtschaftlichen Ergebnis der Städtischen Werke trägt auch der erhöhte Anteil am Stromhandel bei. Der Strom wird teurer verkauft als er an der Börse eingekauft wurde. Darüber hinaus sollen mehr Kunden aus dem Umland von Magdeburg gewonnen werden. Den Ökostromtarif der Stadtwerke (90% Wasserkraft, 10% Windkraft) ist billiger als der Standardtarif der Stadtwerke. Erstaunlicherweise haben dieses Angebot bisher nur 826 Kunden genutzt. Im Gegensatz zu vielen anderen Stadtwerken hat die SWM wenig Stromwechsler.

Johannes Kempmann sieht den Ausbau des Energienetzes als vordringlichste Aufgabe. Dabei gilt es die Netzeinspeisekosten gesellschaftlich fair zu verteilen. Bei Einspeisung von 52% Windstrom fährt die SWM-eigene Netzagentur hohe Verluste ein. Der Ausbau in der Region Magdeburg würde 150 Millionen Euro kosten. Nach derzeitigem Stand müssten die Kunden der SWM diese Kosten tragen. Das Land Thüringen hat einen Antrag in den Bundesrat eingebracht um dieses Problem zu beseitigen (Drucksache Bundesrat 868/10). Statt immer mehr Solarenergie aufwendig ins Netz zu holen, wäre Energieeinsparung ein besserer Weg den Energiemarkt effizienter zu gestalten.

Hans-Josef Fell (Energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) einer der Väter des EEG, möchte eine Antwort auf die steigenden Energiekosten finden. Für ihn zählen nicht nur die Kosten der erneuerbaren Energien sondern auch ihre positiven gesellschaftlichen Wirkungen. Von 30.000 Jobs 1998 stieg ihre Anzahl in der Erneuerbaren Energien-Branche Deutschlands auf 340.000 Jobs (2010). Durch die Erneuerbaren Energie werden über 20 Milliarden Euro an gesellschaftlichen Kosten eingespart. Die Stanford-Universität hält den Umstieg auf 100% Erneuerbare weltweit für möglich. Dabei sind aber große Widerstände zu überwinden, denn der Umstieg auf Erneuerbare trifft die größten Energiekonzerne und gefährdet deren hohe Gewinne. Auch die verfehlten Prognosen der Energieagentur zur Ölpreiserhöhung tragen nicht dazu bei ein realistisches Energiekonzept zu entwickeln.

Derzeit werden 80% aller Klimagase durch fossile Energien verursacht. Doch es gibt zusätzliche Probleme. Die als Brückentechnologie gefeierte unterirdische CO2-Verpressung (CCS) ist weitaus teurer als die Erzeugung der erneuerbaren Energien und dazu risikoreich. Ab 2013, wenn das russische Waffenuran zu Ende geht, gibt es eine Verknappung des Urans. Während die Förderung der Erneuerbaren Energie wortreich beklagt wird, ist die Subventionierung der Atomkraft und der Steinkohle kein Thema. Weltweit werden die erneuerbaren Energien mit 57 Milliarden Euro gefördert, die fossilen Energien dagegen mit 312 Milliarden. Die vier großen Konzerne erzielten 23 Milliarden Euro Gewinne im Kerngeschäft der Stromerzeugung. Unter diesen Voraussetzungen hält Fell eine Senkung des Strompreises um 0,5 Cent für möglich.

Auch aus Sicht der GRÜNEN Bundestagsfraktion muss die EEG-Umlage neu berechnet werden. Er verwies aber darauf, die Förderung nicht gänzlich einzustellen, sonst führt die staatliche Förderung der Photovoltaik in China zum Abbau der Arbeitsplätze in Deutschland. Im direkten Vergleich von Solar und Atom ist Solar preiswerter, wenn man in beiden Fällen von einem Kraftwerksneubau ausgeht. Auch die GRÜNEN halten einen Netzausbau für dringend geboten.

In der Diskussion wurden einige Aspekte vertieft. So befürchtet Johannes Kempmann bei einem weiteren regionalen Ausbau der Energien eine Fülle von technischen Problemen. Zum Ausgleich von Spannungsabsenkungen werden 30% Großkraftwerke. Dies kann dazu führen, dass Netzwerkbetreiber in Zukunft über das Ab- und Zuschalten von Kraftwerken entscheiden werden und damit ist der Wettbewerb tot. Dazu muss ein anderes System von Netzfinanzierung gefunden werden. Auch den Bau von Kraftwerken an Orten, wo die fossilen Energien gut antransportiert werden können, der Strom aber dort nicht gebraucht wird. Das geplante Kraftwerk in Arneburg ist dafür ein gutes Beispiel. Für die SWM sind laut Kempmann auch die sozialen Rahmenbedingungen z. B. bei Hartz IV nicht ausreichend. Wenn im Hartz IV-Regelsatz 29 Euro für Energie vorgesehen sind, kostet Energie in Magdeburg real aber 35 Euro. Aktuell sind von 30.000 Zählern in Magdeburg 2.000 ständig gesperrt. Als Option für die Zukunft hält er die Einspeisung von Biogas in das Erdgasnetz für sinnvoll.

Ein Netzausbaubeschleunigungsgesetz, das die Rechte der Bürger mit einbezieht, hält Hans-Josef Fell für die wichtigste Aufgabe. Die dafür benötigten Mittel sind aufzustocken. Dann kann noch mehr Energie dezentral eingespeist werden.

Das Problem unterschiedlicher Netzentgelte will Gunnar Harms durch große Netzbetreiberzusammenschlüsse angehen. Diese Netzbetreiber könnten dann regional unterschiedliche Netzentgelte innerhalb des Unternehmens ausgleichen. Den Entschluss der Bundesregierung die Atomwirtschaft als Brückentechnologie zu favorisieren hält er für falsch. Die Alternative Erdgas sei nicht ausreichend gewürdigt worden. Die Lobbyisten der vier Großen hat an dieser Stelle gute Arbeit geleistet. Wer keine Eigenerzeugung hat muss Strom von den vier Großen kaufen. Das ist kein effizienter Markt. Kraftwerke nur für die Kapazität des Netzes rechnen sich aufgrund hoher Kosten und geringer Laufzeit nicht. Nach seiner Sicht sollten wir nicht nur über die Kosten reden. In Zukunft können wir uns nur noch niedrigen Energieverbrauch und erneuerbare Energieerzeugung leisten.

Dorothea Frederking, die energiepolitische Sprecherin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt, verwies auf das Ziel bis 2030 die Energie zu 100% aus erneuerbaren Energien zu erzeugen. Den aktuellen Zwischenstand von 17% erneuerbare Energie zu 23% Atomstrom hält sie für einen ermutigenden Zwischenstand.

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